Manoir mit Magie
Artikel aus Country, Ausgabe 02, S. 18-26

Ein Romantiker auf der Suche nach einer heilen Welt – so bezeichnet Peter Nolden sich selbst.

HABEN HÄUSER SO ETWAS WIE EINE SEELE? Wenn jemand darauf eine Antwort weiß, dann er. Peter Nolden ist ein gefragter Inneneinrichter, aber nicht nur das: Bevor der Schweizer 1995 nach Hamburg ging und "Peter Interior Design" gründete, hat er in Zürich als Krankenpfleger und Psychologe gearbeitet. Peter Nolden überlegt. "Wenn ich ein Haus zum ersten Mal betrete", sagt er schließlich,
"horche ich, was es erzählen würde, wenn es sprechen könnte. Oft sehe ich eine Schönheit, die aber vernachlässigt wurde. Das ist dann wie das Gefühl, vor einem verletzten Kind zu stehen, das sagt: „Bitte hilf mir!" Als er vor fünf Jahren zum ersten Mal das 200 Jahre alte Gutshaus von Heberville betritt, ist es genau dieses Gefühl, das ihn überkommt.

Dass ihn ein Haus um Hilfe anbettelt, passiert Peter Nolden offenbar öfter. Bevor ihn sein heutiges Anwesen nach Frankreich lockt, hat er ein Kolonialstilhaus in Brasilien und danach einen englischen Patienten: ein Cottage in Sussex. Vier Jahre nahm allein dessen Renovierung in Anspruch, doch 2002 zieht es ihn fort, er sucht ein neues Objekt. Um ein kleines Hotel eröffnen zu können, soll es größer sein - und gerne auch renovierungsbedürftig. "Sonst macht mir das keinen Spaß", erklärt der Spezialist für historische Farben. In der Normandie, die ihn an die norddeutsche Küste erinnert, wird er dank eines Maklers fündig.

Das Manoir, wie Gutshäuser in Frankreich heißen, liegt am Rand des In-Seelen-Dörfchens Heberville, nur 20 Fahrradminuten von der Steilküste des Ärmelkanals entfernt. Das Gebäude aus den Jahren 1795 bis 1800 hat alles, was Peter Nolden sucht. Es bietet Platz: 500 Quadratmeter Wohnfläche und drei Hektar Garten. Es ist schön: "Das Haus hat eine unglaubliche Symmetrie und endlose Fluchten", schwärmt er. Wer durch die Haustür tritt, kann bis zum Garten hindurchschauen, den ganzen Tag flutet Licht durch die Zimmer. Und nicht zu vergessen: Es ist renovierungsbedürftig - freundlich gesagt. Peter Nolden hat für die vorgefundene Katastrophe ein Wort: "Betonplatten!"

Seit zehn Jahre steht das Anwesen, das als Mietshaus dienen musste, leer. Peter Nolden, ein bekennender Romantiker, der Farben seiner Kollektion Namen wie "Engelsflügel" und "Ballsaal" gibt, erinnert sich lebhaft an die erste Hausbegehung: überall Baumarkttüren. Der Austritt des Frühstücksraums gefüllt mit Styropor, davor Spanholz in Babyblau. "Und der Kamin in der Küche war von weißem Schlemmputz überzogen, mit Kellenabdrücken - wie in einer Pizzeria in den 70er-Jahren. Und auf dem Boden lagen diese lackierten Betonplatten." Keine Frage: Er muss das Manoir haben. Im Sommer 2003 erwirbt er das Herrenhaus und macht ein halbes Jahr lang - nichts.

Peter Nolden will die Restaurierung erst beginnen, wenn er weiß, wie später alles aussehen soll. Regelmäßig besucht er das Manoir, um es kennen zu lernen. "Ich bin endlos ums Haus geschlichen und habe immer wieder ein Stück von dem blöden Putz am Kamin abgeschlagen." Im Geiste streicht und dekoriert er dabei die Räume, legt Wasserleitungen und Steckdosen. Anfang 2004 beginnt die Renovierung.

Bei einem Händler für historische Baumaterialien entdeckt Peter Nolden Fliesen, die aus der gleichen Produktion und Zeit um 1800 stammen wie die Originalkacheln im Salon - mit ihnen restauriert er die Böden in Küche und Frühstückszimmer. Dort holt er unter sechs Schichten den oliv-lindgrünen Erstanstrich der Holzvertäfelung hervor - er lässt den Ton rekonstruieren, färbt Leinenstoff und spannt ihn auf die Wände, Auch die anderen Räume bekommen ihre eigene Farbe, als Faustregel gilt: helle Töne für die Zimmer mit Morgenlicht, dunkle für jene mit Abendsonne. Es ist Peter Noldens Art, den Dingen Respekt zu erweisen: "Ich liebe es, mit dem mitzugehen, was ich vorfinde." So er- hält sein Wohnraum ein Abendrot. Im Bad nimmt er das edle Blaugrau auf, das unter dem Beige des Eckschranks schimmert. Und wenn die Arbeiter schon aufgegeben haben, er aber auf Fensterbeschlägen noch Lack entdeckt, lässt er selbst die Schleifmaschine heulen, stundenlang. "Alle sagten, ich soll's lassen, doch irgendwann war es wie Meditation."

Als das Manoir endlich bezogen werden kann, geht alles sehr schnell, .h im Geiste steht das Mobiliar ja längst. Wichtig ist, dass die Farben stimmen, die Proportionen, Textilien und das Licht - "den Rest entscheide ich aus dem Bauch", sagt der Designer. Den Salon richtet er in einem bunten Stilmix ein: französische Möbel treffen auf venezianische Sessel, vor dem roten Sofa, das er selbst entworfen hat, steht als Tisch eine schwedische Sitzbank. Was sie vereint, ist ein romantisches Gefühl. Oder der Frühstücksraum: blumige Fayenceteller, ein Barocktisch aus dem 17. Jahrhundert, ein drei Zentner schwerer Steintisch aus Stockholm. "Aber ich finde, es passt", sagt Peter Nolden. "Helles und dunkles Holz, beige und grün. Es ist so ,Country'! Oder?" Stimmt! Es ist sogar so "Country", dass ein Foto des Zimmers den Titel dieser Ausgabe ziert. Und was nun, da er das Haus von seinen Wunden geheilt hat? Peter Nolden hat einen dringenden Hilferuf aus dem Garten vernommen: Auf dem Grundplan sind Fundamente eingezeichnet, noch älter als das Manoir, verrät er. "Ich träume schon von einem Teehaus ..."

Text: Oliver vom Hofe
Fotos: Andreas von Einsiede