Harvestehude an der Loire? Peter Nolden verwandelte seine Wohnung in ein Rokoko-Schloss en miniature.
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Eine lange Eisenkette säumt die Wand im Flur. Wären die Dielen eine schwankende Hängebrücke, die zu einer verwunschenen Wasserburg führt - man wäre dankbar dafür. Hier ist die Kette so nützlich wie ein dritter Schuh. Dafür sieht sie sehr schön aus und verrät etwas über den Besitzer der Altbauwohnung. Sie sagt: Herzlich willkommen im Traumschloss eines Romantikers. Bitte lassen Sie Ihren nüchternen Blick an der Garderobe zurück.
Der Romantiker heißt Peter Nolden, stammt aus Zürich, war früher Psychologe und führt seit einigen Jahren im gutbürgerlichen Hamburger Stadtteil Harvestehude das Geschäft "Peter Interior Design". Nur dreihundert Meter davon entfernt hat er in einem Jugendstil-Haus seine Wohnphantasien verwirklicht. "Ich möchte die Realität da draußen zwar kennen", erklärt er, "aber manchmal auch gern vergessen." Könnte Nolden wählen, würde er die sorglose Existenz eines Landadligen führen, der über Zeit und Geld nicht weiter nachzudenken braucht: "Eigentlich bin ich ein Mann des t8.Jahrhunderts." Dieses Lebensgefühl unbeschwerter Muße möchte er mit seinem Dekor ins Jetzt übertragen: weniger busy, mehr cosy.
Der Mittelpunkt seiner Wohnung sind Salon und Boudoir, zwei über einen Durchbruch verbundene, violett tapezierte Räume- Hier hält sich der Hausherr am liebsten mit Freunden auf, entspannt bei Opernmusik und Plaudereien- Oft lümmelt man dabei gemeinsam auf dem Sofa, einem umgewidmeten Louis-XVI-Bett Drapiert mit Kissen in weißem Bauern/einen oder bestickter italienischer Seide, wird es von einem extravaganten Baldachin bekrönt. "Das vermittelt das Gefühl, beschützt zu sein", sagt Nolden, "und gibt dem Ensemble mehr Spannung."
Um das stilisierte Himmelbett versammelt sich das Resultat seiner Streifzüge durch Auktionshäuser, Flohmärkte und Antikläden: französische Fauteuils und tabourets, ein dänischer Sekretär oder zwei Meissener-Porzellan-Chinesen, die er bei einem Trödler in Lissabon fand. Nolden reist viel, besonders gern durch die englische und französische Provinz: "Hier kann man noch echte Schätze entdecken." In Paris bevorzugt er den Markt an der Porte de Clignancourt. Die Sachen, die er dort aufstöbert, restauriert er meist selbst. Viel Spaß bereiten ihm dabei ungewöhnliche Kombinationen.
Er nennt es "meine persönliche Wertschöpfungstheorie", wenn er etwa einen Louis-XV-Sessel mit einem farbig bedruckten Kartoffelsack bezieht, aus einem alten Priestergewand Kissenbezüge schneidert oder ausrangierte Hafenpoller zersägt, um sie als Holzapplikation über Türrahmen anzubringen.
Mit einer Überraschung wartet das Esszimmer auf. Seine Wände tragen Streifen, die an ein feudales Zelt erinnern: "Ich sehe hier Proust-Figuren bei einer Landpartie dinieren." Das rotweiße Muster, von Nolden "Oper-Sand" getauft, gehört zu der von ihm entwickelten Wandfarbenkollektion, für die er historische Nuancen in Schlössern und Gutshäusern studiert und reproduziert hat. Da verwundert es nicht, dass sich unter seinen Klienten viele deutsche und internationale Adlige finden, die ihre Familiensitze möglichst originalgetreu erhalten und erneuern wollen. Für sie gestaltet Nolden komplette Interieurs im gewünschten Stil. Auch seine eigene Wohnung ist in aristokratische Töne getaucht. Im Flur etwa begegnet man Noldens„King George“-Grün, in der Küche dem Blau „Versailles“.
Das Schlafzimmer wiederum präsentiert sich aus einem roten Guss. Wandbespannung, Paravent und Bettüberwurf überzieht hier ein südfranzösisches Rankenornament aus dem 18. Jahrhundert, das Christopher Moore in London erneut aufgelegt hat.
Zu all den französischen und englischen Inspirationen gesellt sich in jüngster Zeit verstärkt Skandinavien. Von dort stammt auch der Einfall, die Holzböden zu bleichen. „Lackiertes Eichenparkett hätte niemals zum leuchtenden Violett des Boudoirs gepasst“, erklärt der Designer. „Da habe ich mich an die abgelaugten Tische im Norden erinnert und dachte mir, vielleicht wäre das die Lösung.“
Viele Ideen und viel Zeit hat Nolden in seine Hamburger Bleibe investiert. Jetzt ist sie endlich fertig, doch die nächste große Aufgabe wartet schon. Der Schweizer hat sich ein verfallenes Schlösschen in der Normandie gekauft. Er will es zu einem Landhotel ausbauen, jedes Zimmer individuell eingerichtet. Wie es am Ende aussehen wird, hängt wie immer von seinem Sammlerglück ab. Nur eines weiß der Zeitreisende aus Leidenschaft: „Computer, TV und Telefon wird es bei mir nicht geben.“